Ganzheitliche Alltagsbegleitung und Pflege von Menschen mit Demenz

“Der gesellschaftliche Raum, in dem wir uns bewegen ist keine Festplatte, eine vorhandene Pflegekultur kein Rechner, den wir nur einmal kurz herunter und im Anschluss daran wieder starten und hochfahren können.

Neu entwickelte Ansätze für die Alltagsbegleitung und Pflege von Menschen mit Demenz werden frühere Ansätze nicht von einem Tag auf den anderen ablösen, sondern sich in der Praxis zwangsläufig mit den ihnen vorausgegangenen zeitlich überschneiden.

Das begegnungsorientierte Modell knüpft in manchen Aspekten an tradierte in der gegenwärtigen Pflegekultur bereits angekommene und etablierte Ansätze und Methoden an, in anderen nicht. Es ist Teil einer fortlaufenden Entwicklung. . .

Der Weg, von einer nach wie vor krankheits- und defizitorientierten versorgenden Pflege hin zu einer ganzheitlichen und bedürfnisorientierten Betrachtung und Alltagsbegleitung von Menschen mit Demenz, liegt dabei womöglich zu einem  Großteil noch vor uns.

Die Forderung nach einer umfassenden Veränderung der bisherigen sozialen Praxis und der dieser zugrunde liegenden kulturellen und gesellschaftlichen Leitvorstellungen, mag in diesem Zusammenhang vielleicht utopisch erscheinen.

Sie wird greifbarer, wenn wir unseren möglichen Weg dorthin, als allmählichen, über viele kleine Schritte und Veränderungen verlaufenden und von der Basis der Gesellschaft selbst ausgehenden Prozess zu betrachten versuchen.

Inklusion heißt Veränderung. Die gesellschaftliche Rolle und Wahrnehmung von Pflegenden und die Pflegekultur innerhalb der Gesellschaft selbst stehen dabei in einem engen Wechselverhältnis zueinander. Eine in ihren eigenen normativen Vorstellungen von Normalität erstarrte Gesellschaft wird beinah zwangsläufig auch eine bevormundende Pflegekultur- und Praxis hervorbringen, auch in der Arbeit mit Menschen mit Demenz.

Eine offene und auf Inklusion und Akzeptanz basierende Gesellschaft wird hingegen neue Möglichkeiten und Chancen eröffnen für eine selbstbestimmte und individuell erfahrbare Alltagsnormalität.

So bedeutet die Veränderung einer Pflegekultur zugleich auch die Veränderung sozialer Räume und Begegnungsangebote, die Veränderung der Gesellschaft selbst hin zu mehr Akzeptanz gegenüber dem Anderen.”

(Textzitat aus: Sebastian Kraus, Der begegnungsorientierte Ansatz bei Menschen mit Demenz)

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